Dr. Elisabeth Mardorf
Interview mit Theresia Moho
http://www.elisabeth-mardorf.de/Moho.html

© 2018 Dr. Elisabeth Mardorf

Interview mit Theresia Moho

Theresia Moho ist Autorin des Buches "Weil die Nacht keine Augen hat" (siehe Buchtipps)

Frau Moho, Sie sind 1956 mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen. Wie ging Ihr Leben dann weiter?

 

Theresia Moho: Ich war mit dem 3. Kind hochschwanger. Wir wollten ursprünglich nach Australien auswandern und kamen deshalb vom Grenzdurchgangslager bald in ein Lager nach Aurich. Mein Vater überredete uns, nicht auszuwandern, weil mein Bruder, der damals krank war, in Deutschland medizinisch gut versorgt wurde. Ich bin ihm dankbar, dass er es schaffte, uns zu überreden.

Sie leben jetzt in der Nähe von Köln. wie kam es denn dazu?

 

Moho: Die Männer in unserer Familie fanden Arbeit in der Nähe von Köln. Damit verbunden war eine Unterkunft für unsere Familie. Es waren zwar nur 2 Zimmer in einer Baracke, aber für uns war es nach diesen vielen Jahren ohne richtiges Zuhause ein Fortschritt. Später bekamen wir eine Wohnung mit 3 Zimmern. Unser viertes Kind wurde 1958 geboren, und später kam noch meine Schwiegermutter aus Jugoslawien. Ich ging dann auch arbeiten, und sie passte auf die Kinder auf. Wir haben sehr viel gearbeitet. 1971 konnten wir endlich in unser eigenes Haus ziehen.

Woher nahmen Sie die Kraft für den Neuanfang nach allem, was Sie durchgemacht hatten? In Ihrem Buch erwähnen Sie immer wieder, wie Ihnen in der Zeit der Verfolgung das Beten geholfen hat, die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zu überwinden.

 

Moho: Ja, als Kind fand ich Beten eine Zeitverschwendung, ich wollte spielen, und bei uns wurde immer gebetet, gebetet, gebetet. Aber als ich dann allein im Gefängnis war und nichts mehr hatte, da fing ich an zu beten und habe mich fast geschämt: Jetzt in der Not rief ich Gott an und bat um Hilfe. Aber wenn ich dieses absolute Vertrauen in Gott nicht gehabt hätte, hätte ich nicht die Kraft gehabt, zu überleben. Und wenn man so etwas durchgemacht hat, ist alles andere leichter zu ertragen.

Mit weit über 40 begann ich dann nach der Trennung von meinem Mann eine Ausbildung zur Krankenschwester. Das war immer mein Traum gewesen, aber ich hatte es mir nie zugetraut und auch nicht umsetzten können, als die Kinder klein waren. Ich hatte viel Unterstützung von ihnen, und als ich 48 war, bestand ich das Examen. Ich habe dann bis zur Rente in meinem neuen Beruf gearbeitet. Parallel dazu haben meine Kinder und ich dann ein neues Haus gebaut, 10 Jahre lang, Stein auf Stein selbst gesetzt, und viele Freunde halfen uns dabei. Und immer wenn wir wieder etwas angespart hatten, konnte das nächste Fenster, die nächste Türe gekauft werden. Dieser Zusammenhalt war wunderbar. Mit fast 60 konnte ich dann endlich in unser neues Häuschen einziehen.

Wann haben Sie beschlossen, Ihr Leben aufzuschreiben?

 

Moho: Meine Kinder haben schon lange gesagt, mein Leben war so abenteuerlich, ich muss es unbedingt aufschreiben. Ich kam aber erst dazu, als ich älter war. Vorher war einfach keine Zeit dazu, vier Kinder, Arbeit in der Fabrik, Ausbildung, Arbeit als Krankenschwester, zweimal ein Haus gebaut … da war nicht viel freie Zeit. Als ich dann endlich mit dem Schreiben anfing, musste ich immer wieder längere Zeit aussetzen, weil die Erinnerungen doch sehr schmerzlich waren.

Ich war beim Lesen beeindruckt, an wie viele Details Sie sich noch erinnern können. All die Orte, die vielen Male, wenn Sie sich wieder irgendwo verstecken mussten, die Menschen, denen Sie begegneten.

 

Moho: Während der langen Jahre in Gefangenschaft hatte ich ja nichts zu lesen, nichts zu tun, in der Dunkelhaft nicht einmal Licht. Da habe ich, um nicht verrückt zu werden, mein Gedächtnis trainiert, indem ich mein Leben in Verse gefasst habe, und diese selbst gemachten Verse habe ich dann auswendig gelernt.

Zuerst habe ich alles nur für meine Kinder aufgeschrieben. Ich war vor ein paar Jahren monatelang sehr krank und in Lebensgefahr. Da sagte ich mir "ich darf nicht sterben, ich habe doch meinen Kindern versprochen, dass ich noch mein Leben aufschreiben will.“ Als ich aus dem Krankenhaus kam, habe ich dann sofort mit dem Schreiben angefangen. Dann habe ich wieder gearbeitet, und jeden Abend nach dem Dienst habe ich mich erst hingesetzt und ein paar Seiten geschrieben, alles in Handschrift. Das waren dann 900 Seiten handschriftliches Manuskript, und ich gab es meinen Kindern zu lesen. Sie haben mich dann ermutigt, es zu veröffentlichen.

Haben Sie noch Kontakte nach Kroatien?

 

Ja, die habe ich, hauptsächlich nach Marjanci. Nachdem mein erstes Buch „Marjanci“ erschienen war, war ich zum letzten Mal dort. Das neue Buch „Weil die Nacht keine Augen hat“ erschien dann übrigens zuerst in der kroatischen Übersetzung, und es ist wie „Marjanci“ in Kroatien schon Lektüre an den Schulen. Ich war zuerst selbst gebeten worden, das Buch selbst ins Kroatische zu übersetzen. Mittlerweile ist mir aber Deutsch sehr viel mehr vertraut, und es fiel mir schwer, die richtigen Zwischentöne im Kroatischen zu finden. Ich war überhaupt anfangs sehr unsicher, ob mein Deutsch gut genug ist, um ein Buch zu schreiben.

Ich finde Ihre Sprache sehr lebendig und wunderbar zu lesen. Auch wenn es ein Buch mit einem schweren Thema ist, hat es mir viel Freude gemacht. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.